Sind Umweltbelastungen überhaupt durch die Eigentumsfreiheit geschützt? – Auseinandersetzung mit kritischen Stimmen in der Rechtstheorie zu dieser Frage und Stellungnahme
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Δ. Μπατσούλας,
Δικηγόρος, Διδάκτωρ Δημοσίου Δικαίου (Tübingen), LL.M. (Tübingen)
Monday 2 September 2024
1. Einleitung
Die Frage, ob ein Grundrechtsschutz für umweltbelastende Tätigkeiten überhaupt gewähr- leistet werden muss, beschäftigt das deutsche Umweltverfassungsrecht schon seit Jahren.1 Die Rechtsprechung ist bisher dieser Frage nicht deutlich nachgegangen. Unter Umweltbe- lastungen sind grundsätzlich Emissionen zu verstehen, die ,,nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen.“2 Nicht verdeutlicht ist ebenfalls die Sache, inwieweit sich eine Umweltbelastungsfreiheit des Eigentümers von seiner Eigentumsfreiheit ableitet. Das Bundesverfassungsgericht wies in seiner Nassauskiesungs- entscheidung3 darauf hin, dass die Grundwassernutzung aus Gründen des Schutzes der öf- fentlichen Wasserversorgung in den Schutzbereich des Art. 14 GG nicht falle und der Pri- vatrechtsordnung überhaupt nicht gehöre.4 Ein Gerichtsurteil, das sich systematisch mit dem Umfang des Eigentumsschutzes von Umweltbelastungen auseinandersetzt, fehlt jedoch. Die Literatur hat versucht, theoretische Kriterien vorzuschlagen, laut denen umweltbelastendes Handeln ab einer bestimmten Intensität dem Schutzbereich der Eigentumsfreiheit nicht un- terfallen kann.5 Fraglich ist allerdings, ob diese Kriterien eine rechtssichere, kompakte Ant- wort darauf anbieten mögen.
Der vorliegende Beitrag befasst sich mit der Reichweite des verfassungsrechtlichen Eigen- tumsschutzes von Umweltbelastungen. Zudem wird die Problematik der allgemeinen Umweltpflichtigkeit des Schutzbereichs der Eigentumsfreiheit erörtert (unter 1.). Es wird gezeigt, dass die Umweltpflichtigkeit des eigentumsgrundrechtlichen Schutzbereichs abzu- lehnen ist. Sodann wird sich mit dem Ausmaß des eigentumsgrundrechtlichen Schutzes von umweltbelastendem Handeln laut der Rechtstheorie auseinandergesetzt (unter 2. a) und b)). Es folgt eine begründete Stellungnahme dazu (unter 2. c)). Anschließend werden verfas- sungsrechtliche Bedenken im Hinblick auf die Ausklammerung der Grundwassernutzung aus dem Schutzbereich der Eigentumsfreiheit durch die Nassauskiesungsentscheidung vorge- stellt (unter 3.).
2. Die Eröffnung des Schutzbereichs der Eigentumsfreiheit für Umweltbelastungen
- Keine allgemeine Umweltpflichtigkeit des Schutzbereichs der Eigentumsfreiheit
Die Eröffnung des eigentumsgrundrechtlichen Schutzbereichs für umweltbelastende Tätig- keiten setzt jedenfalls als ersten logischen Schritt die Ablehnung seiner allgemeinen Um- weltpflichtigkeit voraus. Würde die Umweltpflichtigkeit angenommen, dann könnten Um- weltbelastungen a priori dem Schutzbereich des Art. 14 GG überhaupt nicht unterfallen.
Es wird argumentiert, dass der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen angesichts seiner besonderen Wichtigkeit für das Gemeinwohl als immanente Schranke des Eigentumsgrund- rechts fungiert.6 Die Verankerung des Umweltschutzes als Staatsziel in Art. 20a GG und die damit verbundene Bestätigung seiner normativen Kraft auf Verfassungsebene üben entschei- denden Einfluss auf sein Verfassungsverhältnis zur Eigentumsfreiheit aus. Die Tatsache, dass Art. 20a GG den Umweltmedien als öffentliche Gemeinschaftsgüter Verfassungsschutz gewährleistet, spricht für die ,,Umweltpflichtigkeit“7 des Schutzbereichs der Eigentumsfreiheit. Hat sich der Verfassungsgeber trotzdem für eine a priori Umweltpflich- tigkeit des Schutzbereichs der Grundrechtsgewährleistungen und insbesondere der Eigen- tumsfreiheit8 entschieden?
Unter der Umweltpflichtigkeit des grundrechtlichen Schutzbereichs ist die Funktion des Um- weltschutzgebotes des Art. 20a GG als ,,verfassungsimmanente Schranke“9 der Grundrechte zu verstehen. Jede Grundrechtsausübung steht unter dem Vorbehalt ihrer Verträglichkeit mit den Anforderungen des Umweltschutzes. Die Eröffnung des Schutzbereichs der Freiheits- rechte des jeweiligen Grundrechtsträgers erfolgt demzufolge grundsätzlich nur, falls die von ihnen erfassten Tätigkeiten die Bestimmungen des Umweltrechts beachten. Die Umwelt- pflichtigkeit10 kommt im Wesentlichen der ökologischen Ausgestaltung der grundrechtli- chen Schutzbereiche gleich.11 In diesem Sinne erweist sich als verfassungsrechtlich erforder- lich nicht nur die umweltverträgliche Auslegung der Grundrechte, sondern auch der Bedarf an umweltschonender Durchführung jeder konkreten Grundrechtstätigkeit, damit diese sich innerhalb der Grenzen des Verfassungsrahmens bewegt.
Unter der Formulierung der ,,natürlichen Lebensgrundlagen“ des Art. 20a GG sind grund- sätzlich die Grundlagen des menschlichen, pflanzlichen und tierischen Lebens zu verste- hen.12 Es geht um einen eher gestaltungsoffenen Begriff, der sich an sich ökologisch verän- dernde Umstände anpasst und neu aufgetretene Naturarten einschließen kann.13 Schutzge- genstand des verfassungsrechtlichen Umweltschutzgebotes stellen demzufolge ,,Pflanzen, Boden, Wasser, Luft, Klima, Landschaft, Fläche und Tiere“14 dar.15 Der Schutz von Flora und Fauna zielt auf die Bewahrung der ,,Vielfalt, Eigenart und Schönheit von Natur und Landschaft“16.
Überträgt man diese Ausführungen auf die umweltverträgliche Ausübung der Eigentums- freiheit, zeigt sich, dass ihre Umweltpflichtigkeit eine besondere Ausprägung der in Art. 14 Abs. 2 GG verankerten Sozialpflichtigkeit des Eigentumsgrundrechts darstellt.17 Eine sich daraus ableitende Anforderung an allgemeinwohlkonforme Eigentumsausübung beziehe not- wendigerweise die umweltfreundliche Grundrechtsausübung ein, sofern der Umweltschutz zweifellos eine erhebliche Gemeinwohldimension aufweise.18 Wegen der Hochempfindlich- keit der Umweltmedien und des sich daraus ergebenden Bedarfs an ihrem erhöhten Schutz, auch zugunsten der zukünftigen Generationen, sei der Eigentümer prinzipiell zur umweltver- träglichen Verwertung seiner Eigentumspositionen verpflichtet.19 Der Umweltschutz fun- giere demzufolge faktisch als verfassungsimmanente Schranke der freien Ausübung seines Eigentumsgrundrechts. Verstößt eine Eigentumsnutzung gegen die Bestimmungen des Um- weltschutzgebotes des Art. 20a GG, dann ist sie überhaupt nicht durch die Eigentumsfreiheit geschützt.
Eine a priori allgemeine Umweltpflichtigkeit der Freiheitsgrundrechte im Sinne einer ex ante Unterwerfung ihres grundrechtlichen Schutzbereichs unter die Bedürfnisse des Umwelt- schutzes, lässt sich trotzdem dem Grundgesetz nicht entnehmen. Die Funktion des Art. 20a GG als verfassungsimmanente Schranke der Grundrechte kann nicht überzeugen.20 Die Auf- fassung, dass jedes Grundrecht unter einem allgemeinen ökologischen Gemeinschaftsvorbe- halt steht, der als legitime Schranke der sich aus dem Schutzbereich herleitenden Freiheit fungiert, hat sich in der rechtswissenschaftlichen Theorie nicht durchgesetzt.21
Umweltschutz und Grundrechte liegen gleichwertig nebeneinander22 und der einseitige Vor- rang der umweltschützenden Aufgaben gegenüber der ungestörten Grundrechtsausübung, ohne weitere Abwägung, erscheint verfassungsrechtlich eher willkürlich. Das Grundgesetz erkennt keinesfalls eine Hierarchie von Verfassungsgütern an und bemisst ihnen den gleichen Wert. Kollisionen sind ausschließlich am Maßstab der praktischen Konkordanz23 und des Abwägungsprozesses aufzulösen. Umweltschutz verkörpert demnach keinen Über- wert auf Verfassungsebene, dessen Beachtung ohne Weiteres höchste Priorität genießt.24 Auch andere Staatszielbestimmungen sind in der Verfassung ohne konkrete Rangfolge ver- ankert.25 Es liegt im Bereich der gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit, ob sie eine vorran- gige Stelle bei der jeweiligen Kollision einnehmen müssen.26 Nur die Menschenwürde des Art. 1 Abs. 1 GG erweist sich als der einzige allgemeine Maßstab der verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen.27
Art. 20a GG wendet sich als staatszielartige Bestimmung vor allem an den Gesetzgeber und beauftragt ihn mit der Aufgabe des bestmöglichen Schutzes der natürlichen Lebensgrundla- gen. Die Beschneidung des privaten, prinzipiell unbegrenzten Freiheitsbereichs aus umwelt- schützenden Gründen stellt demzufolge keine automatische Folge des erhöhten normativen Gewichts des Umweltschutzgebotes dar. Die vorbehaltlose Dominanz des Umweltschutzes birgt gravierende Gefahren für den Genuss der Eigentumsfreiheit in sich. Sofern jede in den Schutzbereich des Art. 14 GG fallende Tätigkeit mehr oder weniger in die Umwelt eingreift, würde die Berufung auf den normativen Gehalt der Eigentumsfreiheit in der Tat wegen Um- weltschutzgründen ins Leere zielen. Ihre normative Kraft würde sich einer ungerechtfertigten übermäßigen Einschränkung unterziehen und der Umweltschutz würde faktisch als be- schränkender Maßstab von jeder privaten Eigentumsnutzung wirken.28 Die Einführung durch die Hintertür der umweltstaatlichen Rechtstheorie29 zulasten der herrschenden liberalen Frei- heitslehre30 wäre außerdem schwer annehmbar.
Selbstverständlich trug die Inkorporierung des Umweltschutzgebotes ins Grundgesetz zur Verstärkung der Bedeutung der staatlichen Umweltschutzaufgaben bei. Nunmehr sind die Umweltbelange in den gesetzgeberischen Abwägungsprozess gleichrangig mit den anderen Verfassungsgütern einzubeziehen und vom Abwägungsergebnis muss es sich klar ableiten, dass alle auf dem Spiel stehenden Umweltgüter hinreichend berücksichtigt worden sind.31 Auf der gleichen Ebene mag der Umweltschutz Eingriffe in den Schutzbereich der Grund- rechte rechtfertigen.32 Seine Funktion als legitimer Rechtfertigungsgrund von Einschränkun- gen des grundrechtlichen Schutzbereichs ergibt sich unausweichlich aus der vom Verfas- sungsgeber verbürgten erhöhten normativen Kraft des Art. 20a GG.33 Aber, wie gesagt, nicht von vornherein und einseitig. Ein immanenter, automatisch aktivierbarer Ökologievorbehalt für jede Grundrechtstätigkeit wäre rechtsdogmatisch nicht hinnehmbar.34
Die Umweltbelange zählen nicht expressis verbis zu den Gründen, die eine vorbehaltslose Einschränkung des grundrechtlichen Schutzbereichs des Umweltschutzes zuliebe rechtferti- gen können. Es bedarf einer konkreten gesetzlichen Grundlage, die den Vorrang des Um- weltschutzes im konkreten Fall vorschreibt.35 Durch diese drückt der demokratisch legiti- mierte einfache Gesetzgeber seinen Willen aus, den Umweltbelangen höheren Rang gegen- über den anderen Verfassungsgütern ad hoc beizumessen. Diese Entscheidung des Gesetz- gebers unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsprinzips räumt den Grundrechtsschranken aus Gründen des Umweltschutzes eine Position als adäquate Rechtfertigungsstütze ein.36
- Zur Problematik des verfassungsrechtlichen Eigentumsschutzes von Umweltbelastungen in der Literaturaa. Ausschluss von schweren Umweltbelastungen aus dem Schutzbereich der Eigentumsfrei- heit laut BruchLaut Bruch seien schwere Umweltbelastungen vom grundrechtlichen Schutzbereich nicht er- 37 Damit gemeint seien gesundheitsschädigende oder tödlich wirkende Umweltbelastun- gen.38 Es sei verfassungsrechtlich unzumutbar, dass eine solche, den Geltungsanpruch der Grundrechte vereitelnde, Umweltbelastung Verfassungsschutz genieße.39
Bruch schließt aus dem grundrechtlichen Schutzbereich diese umweltschädigenden Verhal- tensweisen aus, die die Ausübungsvoraussetzungen anderer Grundrechtsgewährleistungen beseitigen.40 ,,Eine Tätigkeit, die anderen Menschen die Ausübung von Freiheit aufgrund der Beseitigung der „Umwelt“ bzw von Umweltgütern unmöglich macht, ist vom grundrechtli- chen Tatbestand nicht geschützt“41, wie er anmerkt. Umweltbelastende Tätigkeiten müssen sich unmittelbar auf einen konkreten Grundrechtsträger auswirken, damit der Grundrechts- schutz diesbezüglich nicht aktiviert werde.42 Mittelbare bzw. kumulative Umweltbelastun- gen fallen problemlos in den grundrechtlichen Schutzbereich, wie er annimmt.43
Bruch unterscheidet zwischen Umweltbelastungen, die schwere Folgen für die Ausübung des Rechts auf Leben und körperliche Unversehrtheit herbeiführen, und jenen, die sich auf die Eigentumsfreiheit auswirken.44 Lebensbedrohliche oder unmittelbar gesundheitsbeein- trächtigende Umweltbelastungen seien auf jeden Fall aus dem grundrechtlichen Tatbestand zu exkludieren, sofern das Leben und die körperliche Unversehrtheit selbst Grundrechtsvo- raussetzungen für andere Grundrechte bilden.45 Im Gegensatz dazu sei die Bejahung der Ver- fassungswidrigkeit der in die Eigentumsfreiheit eingreifenden Umweltbelastungen deutlich komplexer, denn sie wirken sich nur auf konkrete Eigentumsnutzungen aus.46
Leichte Umweltbelastungen, die nicht so erheblich auf die Grundrechtsausübung einwirken, fallen zweifellos in den grundrechtlichen Schutzbereich.47 Bruch kommt zum Schluss, dass der Schutzbereich der allgemeinen Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG immer offen für Umweltbelastungen bleiben müsse, auch wenn sich Umweltbelaster nicht auf ihre Eigen- tumsfreiheit berufen können.48
- Vollständiger Ausschluss von Umweltbelastungen aus dem Schutzbereich der Eigentums- freiheit infolge der Teilhabethese von Murswiek Murswiek verfügt über die einzige Stimme in der Literatur, die den Verfassungsschutz von umweltbelastenden Tätigkeiten rundweg ablehnt.49 Seine Argumentation beruht grundsätz- lich auf der These, dass die Freiheit des Einzelnen prinzipiell keine Befugnis gewährleiste, in Grundrechtspositionen anderer Grundrechtsträger Die Inanspruchnahme, die Verfügung oder die Belastung fremder Rechtsgüter sei verfassungsrechtlich nicht garantiert und bedürfe der Zustimmung des jeweiligen Rechtsträgers.50 Bei der Prüfung der Verfas- sungsmäßigkeit des Verbots des Zugriffs auf fremde Rechtsgüter erübrige sich die Rechtfer- tigung seitens des Staates der Einschränkung des Freiheitsbereichs oder der Abwägung der kollidierenden Rechte. Das Verbot des Eingriffs in fremde Grundrechtspositionen sei per se verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Solche Freiheitseinschränkungen, die den Eingriff in fremde Rechte verhindern, seien ohne gesetzliche Grundlage legitimiert.51
Diesen Syllogismus verwertend kommt Murswiek zu dem Schluss, dass der Zugriff auf Rechte Dritter keine Freiheitstätigkeit, sondern Teilhabe52 an fremden Grundrechtspositio- nen darstelle.53 Das gelte hauptsächlich für den Eingriff in Umweltmedien, die nicht dritter Privatpersonen, sondern der Allgemeinheit rechtlich zugeordnet seien. Die Belastung der Umweltgüter lasse sich demzufolge als Teilhabe und nicht als Freiheitsausübung verfas- sungsrechtlich qualifizieren. Umweltbelastende Tätigkeiten genießen Verfassungsschutz nur, sofern sich ein einschlägiger Teilhabeanspruch explizit aus dem Grundgesetz ableiten lasse.54 Sonst seien sie ohne den Bedarf einer gesetzgeberischen Rechtfertigung oder einer Güterabwägung untersagt. Mit anderen Worten müsse sich der Gesetzgeber nicht auf die Schädlichkeit der Umweltbelastungen berufen, damit sich ihre Untersagung als verfassungs- gemäß erweise.55
- Stellungnahme zur Problematik
Nach hier vertretener Ansicht sind Umweltbelastungen vom Schutzbereich der Eigentums- freiheit vollständig umfasst. Theoretische Konstruktionen der Literatur, die sich an der Aus- klammerung von schweren Umweltbelastungen vom grundrechtlichen Schutzbereich orien- tieren, genügen keinesfalls den verfassungsrechtlichen Anforderungen. Im Wesentlichen füh- ren sie in die Rechtsordnung das Letztentscheidungsrecht der Gerichte ein, den Schutzbereich des Eigentumsgrundrechts zu begrenzen, ohne dass der einfache Gesetzgeber zustimmt. Die Umsetzung des normativen Inhalts der Eigentumsfreiheit steht so unter einem immanenten Richtervorbehalt zulasten der originären gesetzgeberischen Zuständigkeit, wie Blasberg tref- fend bemerkt.56
Ansätze, wie die von Bruch vorgeschlagene Abhängigkeit der Verfassungsmäßigkeit der Umweltbelastungen von der Reichweite ihrer Auswirkung auf die Ausübungsvoraussetzun- gen anderer Grundrechte, gewähren den Richtern die Befugnis, in den Inhalt der Verfas- sungsvorschrift des Art. 14 GG einzugreifen und die Gewährleistung des Eigentumsschutzes von zusätzlichen, nicht in den Verfassungstext aufgenommenen Voraussetzungen abzuhän- gen. Und außerdem handelt es sich um schwer konkretisierbare und abgrenzbare Kriterien, deren praktische Anwendung auf jeweilige Parameter ohne gesetzliche Rechtfertigung an- kommt. Keine gesetzliche Regelung schreibt genau fest, wann eine schwere Umweltbelas- tung vorliegt. Keine gesetzliche Vorschrift erläutert, unter welchen Umständen eine umwelt- belastende Tätigkeit die Grundrechtsausübung beseitigt oder vereitelt.
Die Argumente der Rechtstheorie bieten keine Rechtssicherheit an. Ebenfalls würden sie adoptiert, würde der Weg für die Übertragung solcher Kriterien auf andere Verfassungsvor- schriften eröffnet. Der Schutzbereich anderer Grundrechte möge verkürzt werden, falls sich die von ihnen geschützten Tätigkeiten schwer belastend auf die Umweltgüter auswirken. Für eine solche Einschränkung des Schutzbereichs aller der Grundrechte aus Gründen ihrer erheblichen Schädlichkeit für die natürlichen Lebensgrundlagen könnte man jedoch schwer argumentieren.57
Nach hier vertretener Meinung fallen Umweltbelastungen, ohne Differenzierung nach Schäd- lichkeitsgrad oder Umfang ihrer Auswirkungen auf die Grundrechtsausübung Dritter, in den Schutzbereich der Eigentumsfreiheit. Hat der einfache Gesetzgeber vor, schwer umweltbe- lastende Tätigkeiten zu verbieten, kann er es durch eine ausdrückliche gesetzliche Vorschrift implementieren. Gesetzlich erfolgt dann die Konkretisierung, welche Umweltbelastungen rechtlich als schwer zu qualifizieren sind. Die Verfassungsmäßigkeit eines solchen Gesetzes ist dann im Fall der tödlichen bzw. lebensgefährlichen Umweltbelastungen unproblematisch anzunehmen.58
Des Weiteren gilt der einfache Gesetzgeber als der primäre Adressat des Umweltschutzge- botes des Art. 20a GG. Der Schutz der Umweltgüter kommt in erster Linie ihm zu und die Gerichte beschränken sich grundsätzlich auf die bloße Überprüfung der Einhaltung der Umweltschutzvorschriften. Eine interpretatorische Herausnahme der Umweltbelastungen aus dem Schutzbereich des Eigentumsgrundrechts ohne gesetzliche Ermächtigung scheint dem- nach dem Wunsch des parlamentarischen Gesetzgebers zu widersprechen und verletzt den Kern seiner demokratischen Legitimation59 –erst recht, wenn die Gerichte willkürlich die Ei- gentumsfreiheit unter Umweltgesichtspunkten verkürzen. Der Gesetzgeber hat bisher vermieden, die Belastung der Umweltgüter vom Schutzbereich der Eigentumsfreiheit pauschal aus zuklammern.
- Exkurs: Die Herausnahme der Grundwassernutzung aus dem Schutzbereich der Eigen- tumsfreiheit laut der Nassauskiesungsentscheidung des Bundesverfassungsgerichts – Kriti- sche Anmerkungen zur Schlussfolgerung des Gerichts
Charakteristisches Beispiel für die Exklusion einer Umweltbelastung aus dem Schutzbereich der Eigentumsfreiheit am Maßstab eines Gerichtsurteils stellt die Herausnahme der Grund- wassernutzung aus dem eigentumsgrundrechtlichen Schutz laut der Nassauskiesungsent- scheidung dar. § 1a Abs. 3 des Wasserhaushaltsgesetzes von 197660 sah das Folgende vor:
,,Das Grundeigentum berechtigt nicht zu einer Gewässerbenutzung, die nach diesem Gesetz oder nach den Landeswassergesetzen einer Erlaubnis oder Bewilligung bedarf.“ Nach § 2 Abs. 1 ,,bedarf eine Benutzung der Gewässer der behördlichen Erlaubnis oder Bewilligung, soweit sich nicht aus den Bestimmungen dieses Gesetzes oder aus den im Rahmen dieses Gesetzes erlassenen landesrechtlichen Bestimmungen etwas anderes ergibt.“ Das Bundes- verfassungsgericht stellte die Verfassungsmäßigkeit der Vorschriften fest und wies darauf hin, dass die Grundwassernutzungen vom Inhalt des Grundeigentums ausgeschlossen seien:
,,Zunächst kann aus Art. 14 GG nicht hergeleitet werden, das Grundwasser müsse dem Grundstückseigentümer grundsätzlich rechtlich zugeordnet werden, weil zwischen Grundwasser und Grundeigentum eine natürliche Beziehung bestehe“61, wie das Gericht ex- plizit formulierte.
Die bundesverfassungsgerichtliche Bestätigung der Rechtmäßigkeit der gesetzlichen Aus- klammerung der Grundwassernutzung vom Schutzbereich des Art. 14 GG stößt allerdings auf verfassungsrechtliche Bedenken.62 Grundwasser hat um jeden Preis unberührt zu bleiben, auch wenn verfassungsrechtlich geschützte private Tätigkeiten folglich untersagt werden müssen.63 Die gesetzgeberische Sonderbehandlung des Grundwassers auch zulasten der übrigen Umweltmedien (die keinem öffentlich-rechtlichen Benutzungsregime unterliegen) ist gerichtlich nicht hinreichend begründet.
Eine Überfülle von in den Schutzbereich der Eigentumsfreiheit fallenden Tätigkeiten benö- tigen außerdem die Umweltinanspruchnahme.64 Die Nutzung der Umweltgüter stellt die un- abdingbare Voraussetzung für ihre optimale Realisierung dar.65 Die Umsetzung des norma- tiven Inhalts der Eigentumsfreiheit hängt in großem Ausmaß von den Umweltnutzungen ab. Ohne sie wird die Eigentumsausübung deutlich unwirksamer und die Effizienz des Eigen- tumsschutzes in Frage gestellt.
Eher gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip verstoßend scheint auch die gerichtliche Fest- stellung, dass ausnahmslos alle Grundwassernutzungen vom Eigentumsschutz ausgeschlos- sen werden müssen. Nicht alle Grundwassernutzungen sind allerdings gleichermaßen schäd- lich für die öffentliche Wasserversorgung.
Der Ausschluss der Grundwassernutzung aus dem Schutzbereich der Eigentumsfreiheit aus Gründen des Schutzes des hochrangigen öffentlichen Interesses ist von erheblicher Bedeu- tung für die Ausübung des Grundstückseigentums und könnte außerdem nur als Extrem-Lö- sung bezeichnet werden. Es scheint eher fraglich, ob und inwieweit der Gesetzgeber ,,unter Berufung auf Inhalts- und Schrankenbestimmung wirtschaftliche Nutzungsmöglichkeiten verbieten darf.“66 Der Eigentümer hat so einen bemerkenswerten wirtschaftlichen Verlust hinzunehmen, ohne dass er zumindest eine Kompensation irgendwelcher Art dafür be- kommt.67 Sofern er unter beachtlichen Belastungen seines Grundeigentums leidet, erweist sich der finanzielle Ausgleich seines Verlustes als verfassungsrechtlich erforderlich. Das Ge- richt sollte sich demzufolge auf das von ihm eingeführte Institut der ausgleichspflichtigen Inhalts- und Schrankenbestimmungen68 des Eigentums berufen und ihm plausible Kompen- sation gewährleisten. Andernfalls könnte man für die richterliche Bejahung der einseitigen Sozialbindung des Eigentums zu Lasten der privaten Eigentümerinteressen argumentieren.69
Es ist wahr, dass Umweltmedien durch besondere Anfälligkeit charakterisiert sind. Ihre Phy- siognomie wird irreversibel verändert werden, falls anthropogene Faktoren sie erheblich beeinflussen. Umweltressourcen sind knapp und erschöpflich.70 Auf der gleichen Ebene wei- sen sie aber eine besondere Wichtigkeit für das menschliche Leben auf. Es muss demzufolge zugegeben werden, dass manche menschlichen Aktivitäten die Umwelt erheblich beeinträch- tigen und die Existenz der natürlichen Lebensgrundlagen sogar infrage stellen.71
Das plausibelste Argument für den Ausschluss der Grundwassernutzung vom Schutzbereich der Eigentumsfreiheit betrifft extrem umweltschädigende, zur Erschöpfung der Wasserres- sourcen führende Grundwassernutzungen.72 Es wird vorgeschlagen, dass solche keinen ver- fassungsrechtlichen Schutz genießen dürfen, denn genau sie gefährden die Grundwasserres- sourcen erheblich.73 Evident belastende Grundwassernutzungen sollen als der Verfassungs- vorschrift des Art. 20a GG widersprechend eigentumsgrundrechtlich nicht geschützt wer- den.74
Übereinstimmend mit der rechtsprechlichen These, dass alle in den Schutzbereich der Grund- rechtsgewährleistungen fallenden Tätigkeiten den Bestand der Gemeinschaft sicherstellen müssen75, scheint dieses Argument dogmatisch hinreichend konsequent. Sofern sich aber die Grenzen zwischen bloßen und evident belastenden Grundwassernutzungen für die öffentli- che Wasserversorgung schwer unterscheiden lassen76, muss im Zweifelsfall anerkannt wer- den, dass die Nutzung des Grundwassers vom Schutzbereich der Eigentumsfreiheit vollstän- dig umfasst ist. Das Grundwasser des Grundstücks lässt sich deshalb dem Grundstücksei- gentümer rechtlich zuordnen.
3. Fazit
Die Ergebnisse des vorliegenden Beitrages lassen sich schematisch wie folgt darstellen:
- Die allgemeine Umweltpflichtigkeit des Schutzbereichs der Eigentumsfreiheit, im Sinne der Funktion des Umweltschutzgebotes des 20a GG als verfassungsimmanente Schranke des eigentumsgrundrechtlichen Schutzbereichs, ist verfassungsrechtlich zu beanstanden. Aus Gründen der verfassungsrechtlichen Gleichwertigkeit des Eigentumsgrundrechts und des Umweltschutzes sowie der effektiven Umsetzung des normativen Inhalts des Art. 14 GG ist ein immanenter Ökologievorbehalt für jede vom Schutzbereich der Eigentumsfreiheit er- fasste Tätigkeit abzulehnen. Eine gesetzliche Grundlage, die den Vorrang des Art. 20a GG vor Art. 14 GG im konkreten Fall vorschreibt, erweist sich demzufolge als verfassungsrecht- lich erforderlich.
- Die Literatur hat konkrete theoretische Kriterien zur Ausklammerung von Umweltbelas- tungen vom Schutzbereich der Eigentumsfreiheit Bruch schlägt die Herausnahme von schweren bzw. gesundheitsschädigenden oder tödlich wirkenden umweltbelastenden Tä- tigkeiten aus dem eigentumsgrundrechtlichen Schutzbereich vor. Murswiek spricht sich in- folge seiner Teilhabethese für den vollständigen Ausschluss von Umweltbelastungen aus dem Eigentumsschutz aus. Diesen Kriterien sind jedoch nicht zu folgen, da sie mit erhebli- cher Rechtsunsicherheit verbunden sind. Keine gesetzliche Vorschrift schreibt konkret fest, unter welchen Voraussetzungen eine schwere Umweltbelastung vorliegt oder wie die Teil- habethese genau zur Exklusion der umweltbelastenden Tätigkeiten aus dem Verfassungs- schutz führt. Nach hier vertretener Ansicht unterfallen Umweltbelastungen, ohne Differenzierung nach Schädlichkeitsgrad oder Umfang ihrer Auswirkungen auf die Grundrechtsausübung Dritter, dem Schutzbereich der Eigentumsfreiheit, außer wenn der ein- fache Gesetzgeber sie explizit aus dem Eigentumsschutz exkludiert.
- Die Herausnahme der Grundwassernutzung aus dem Schutzbereich des Art. 14 GG laut der Nassauskiesungsentscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist, nach hier vertretener Ansicht, verfassungsrechtlich zu Der Entzug der Grundwassernutzung schwächt erheblich den Eigentumsschutz des Grundstückseigentümers ab. Es scheint auch eher fraglich, inwieweit der Ausschluss aller Grundwassernutzungen aus dem Eigentums- schutz, unabhängig von ihrem Schädlichkeitsgrad, mit dem Verhältnismäßigkeitsprinzip in Einklang steht.
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1Lorenz, Wissenschaft darf nicht alles! Zur Bedeutung der Rechte anderer als Grenze grundrechtlicher Gewährleistung, in: Badura/Scholz (Hrsg.), Wege und Verfahren des Verfassungslebens, Festschrift für Peter Lerche zum 65. Geburtstag, 1993, S. 267 (275 ff.); Murswiek, Privater Nutzen und Gemeinwohl im Umwelt- recht, DVBl. 1994, 77 (79 ff.); Schmidt, Umweltschutz durch Grundrechtsdogmatik, in: Ruland/Baron von Maydell/Papier (Hrsg.), Verfassung, Theorie und Praxis des Sozialstaats. Festschrift für Hans F. Zacher zum Geburtstag, 1998, S. 947 (961 ff.); Calliess, Rechtsstaat und Umweltstaat, 2001, S. 545-551; Kloepfer, Umweltrecht, 4. Auflage, 2016, § 3, Rn. 92 ff.
2Der hier verwendete Begriff der Umweltbelastungen entspricht der einschlägigen Definition des § 3 Abs. 1 BImSchG.
3BVerfGE 58, 300 ff. Ausführlich dazu Batsoulas, Die Bedeutung der Eigentumsfreiheit im deutschen Umweltrecht unter Gegenüberstellung zur Rechtslage in Griechenland, 2023, S. 47 ff.
4BVerfGE 58, 300 (339): ,,Die Gewährleistung des Rechtsinstituts wird nicht angetastet, wenn für die Allgemeinheit lebensnotwendige Güter zur Sicherung überragender Gemeinwohlbelange und zur Abwehr von Gefahren nicht der Privatrechtsordnung, sondern einer öffentlich-rechtlichen Ordnung unterstellt werden.“
5Steinberg, Der ökologische Verfassungsstaat, 1998, S. 119 ff.: Evidente Umweltbelastungen seien durch die Eigentumsfreiheit nicht geschützt; Bruch, Umweltpflichtigkeit der grundrechtlichen Schutzbereiche, 2012, S. 193 ff.
6Zur allgemeinen Diskussion über die Ökologisierung der Rechtsordnung siehe unter anderem Calliess, Fn. 1, S. 34-35.
7Verwendung des Begriffs bei Bruch, Fn. 5. Der Autor kommt zum Ergebnis, dass sich das Maß der Umwelt- pflichtigkeit der Grundrechte jedes Mal differenziere und eine allgemeine Umweltpflichtigkeit im Sinne der abwägungslosen Unterwerfung des grundrechtlichen Tatbestandes unter die Anforderungen des Umweltschut- zes abzulehnen sei. Der Begriff knüpft im Wesentlichen an den Begriff der allgemeinen ,,Polizeipflichtigkeit“ der Grundrechte. Falls eine Grundrechtstätigkeit die öffentliche Ordnung gefährde oder sogar störe, müsse der einschlägige grundrechtliche Schutzbereich überhaupt nicht eröffnet werden.
8Czybulka unterscheidet die Umweltpflichtigkeit des Eigentums von seiner Ökologiepflichtigkeit: ,,Wird von Umweltpflichtigkeit des Eigentums gesprochen, besteht die Gefahr einer Fahrt in die ausgefahrenen Gleise der (schwachen) Nachhaltigkeit und des technischen Umweltschutzrechts sowie einer Depersonalisierung der Ver- antwortung (der Adressat wird unklar). Ökologiepflichtigkeit betont die erforderliche wissenschaftliche Basis möglicher Vorgaben und richtet zugleich das Augenmerk auf den Erhalt der biologischen Vielfalt als Kernele- ment der Widerstandsfähigkeit (Resilienz) der Ökosysteme.“ Dazu siehe Czybulka, Die Ökologiepflichtigkeit der Eigentümer natürlicher Lebensgrundlagen, EurUP 2021, 2 (19).
9Verwendung des Begriffs bei Czybulka, Naturschutz und Verfassungsrecht, PER/PELJ 1999, 61 (82).
10Nach Calliess lässt sich auch die Neuformulierung des grundrechtlichen Schutzbereichs unter den Begriff ,,Umweltpflichtigkeit der Grundrechte“ einordnen. ,,In der Folge dürfe Umweltschutz nicht in Nebengesetze verbannt werden, sondern müsse auch direkt in die jeweilige Grundrechtsnorm aufgenommen werden“, wie er diesbezüglich hervorhebt. Dazu siehe Calliess, Fn. 1, S. 535.
11Calliess, Fn. 1, S. 538.
12Duikers/Bischofs, Grundlagen des Umweltrechts, 16. Auflage, 2019, S. 38.
13Czybulka, Fn. 8, EurUP 2021, 2 (5).
14Begriffe verwendet in § 2 Abs. 1 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung (Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung in der Fassung der Bekanntmachung vom 18.3.2021, BGBl. I 2021, S. 540, das durch Artikel 14 des Gesetzes vom 10.9.2021, BGBl. I 2021, S. 4147 geändert worden ist).
15Steinberg, Verfassungsrechtlicher Umweltschutz durch Grundrechte und Staatszielbestimmung, NJW 1996, 1985 (1991).
16Begriffe verwendet in § 1 Abs. 1 des Bundesnaturschutzgesetzes (Bundesnaturschutzgesetz vom 29.7.2009, BGBl. I 2009, S. 2542, das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 18.8.2021, BGBl. I 2021, S. 3908 geändert worden ist).
17Czybulka, Fn. 9, PER/PELJ 1999, 61 (81).
18Czybulka, Fn. 8, EurUP 2021, 2 (19).
19Zur ökologischen Bindung der landwirtschaftlichen Bodennutzung siehe unter anderem Ladeur, Berufsfrei- heit und Eigentum als verfassungsrechtliche Grenze der staatlichen Kontrolle von Pflanzenschutzmitteln und Chemikalien, NuR 1994, 8 ff. (insbesondere S. 10 ff.).
20Nach Kuhlmann fungiere aber Art. 20a GG als verfassungsimmanente ökologische Schranke bei den vorbe- haltslosen Grundrechten, wie bei der Kunstfreiheit. Dazu siehe Kuhlmann, Der Mitweltschutz im gesamtdeut- schen Grundgesetz, NuR 1995, 1 (9).
21Shirvani, Umweltschutz und Eigentum. Verbindungslinien im europäischen Primärrecht und im Grundgesetz, EurUP 2016, 112 (117); Kloepfer, Fn. 1, § 3, Rn. 93.
22BVerfGE 3, 225 – Gleichberechtigung (Rn. 20): ,,Das Grundgesetz kann nur als Einheit begriffen werden. Daraus folgt, daß auf der Ebene der Verfassung selbst ranghöhere und rangniederere Normen in dem Sinne, daß sie aneinander gemessen werden könnten, grundsätzlich nicht denkbar sind “.
23Heinz, Eigenrechte der Natur, Der Staat 29 (1990), 415 (428).
24So in BVerfG, Beschluss vom 24.3.2021 – 1 BvR 2656/18 (Leitsatz Nr. 2. a)): ,,Art. 20a GG genießt keinen unbedingten Vorrang gegenüber anderen Belangen, sondern ist im Konfliktfall in einen Ausgleich mit anderen Verfassungsrechtsgütern und Verfassungsprinzipien zu bringen.“
25Zippelius/Würtenberger, Deutsches Staatsrecht, 33. Auflage, 2018, § 13, Rn. 32.
26Kuhlmann, Fn. 20, NuR 1995, 1 (9).
27Czybulka, Fn. 9, PER/PELJ 1999, 61 (74).
28Calliess, Fn. 1, S. 543 ff.
29Der Umweltschutz des Grundgesetzes ist schlechthin anthropozentrisch geprägt und räumt keinesfalls der Umwelt eigene subjektive Rechte ein. Die umweltstaatliche Rechtstheorie strebt demzufolge nach der Verla- gerung des Schwerpunktes vom Menschen als zentralen Bezugspunkt der Verfassung hin zur Herrschaft der Natur, deren Schutz zum ausschließlichen Entscheidungsmaßstab jeden staatlichen Handelns avanciert. Siehe mehr dazu bei Bosselmann, Im Namen der Natur. Der Weg zum ökologischen Rechtsstaat, 1992, S. 250-257. Zu den Eigenrechten der Natur im Sinne ihrer Abwehrrechte gegen staatliche oder private Umweltschädigun- gen siehe unter allem Heinz, Fn. 23, Der Staat 29 (1990), 415 ff.
30Zusammenfassend setzt sich die klassische liberale Grundrechtstheorie für die folgenden Prinzipien ein: Im Mittelpunkt steht die größtmögliche negative Freiheit der Bürger gegen die staatlichen Organe. Diese stelle die Voraussetzung für die Erreichung eines wohlhabenden sozialen Gemeinwesens dar. Der Staat halte sich möglichst von Eingriffen in die persönliche Sphäre seiner Bürger fern und beschränke sich auf die Schaffung des Rechtsrahmens für die Durchführung des gesellschaftlichen Handelns. Dadurch werde die individuelle Persönlichkeitsentfaltung optimal verwirklicht. Ausführlicher dazu und mit Unterscheidung zwischen der wirtschaftsliberalen und der verfassungsliberalen Grundrechtstheorie siehe Brugger, Elemente verfassungsliberaler Grundrechtstheorie, JZ 1987, 633 (635 ff.).
31Heselhaus, Verfassungsrechtliche Grundlagen des Umweltschutzes, in: Rehbinder/Schink (Hrsg.), Grund- züge des Umweltrechts, 5. Auflage, 2018, S. 3 ff., Rn. 70-72.
32Heselhaus, Fn. 31, Rn. 116-117.
33Gassner hebt diesbezüglich hervor, dass ,,die Umweltpflichtigkeit nach Art. 20a GG entscheidend in der Pflicht zur Maßstabsbildung besteht, die – als Daueraufgabe – gestuft und dezentral realisiert werden kann.“. Siehe dazu Gassner, Zur Maßstabsqualität des Art. 20a GG, NVwZ 2014, 1140 (1142).
34Shirvani, Fn. 21, EurUP 2016, 112 (118).
35Heselhaus, Fn. 31, Rn. 117.
36Roller, Eigentum und Umweltschutz. Aktuelle Konfliktlinien nach 25 Jahren Nassauskiesung, in: Führ/Wahl/Von Wilmowsky (Hrsg.), Umweltrecht und Umweltwissenschaft. Festschrift für Eckard Rehbinder, 2007, S. 87 (89).
37Bruch, Fn. 5, S. 193 und S. 238.
38Bruch, Fn. 5, S. 238.
39Bruch, Fn. 5, S. 193.
Es scheint an dieser Stelle, dass sich die Behauptung von Bruch aus der alten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ableitet, laut derer Tätigkeiten, die dem Gemeinwohl widersprechen und Verfassungsgüter bzw. Rechte Dritter verletzen, vom Schutzbereich der Grundrechtsgewährleistungen nicht erfasst werden müssen. Dazu BVerwG, NJW 1955, 1532 (1533), in dem sich das Gericht explizit auf die Grundrechte bezog, dass sie nicht in Anspruch genommen werden dürfen, „wenn dadurch die für den Bestand der Gemeinschaft notwendigen Rechtsgüter gefährdet werden. Denn das Grundrecht setzt den Bestand der Gemeinschaft voraus, durch die es gewährleistet ist.“ Siehe auch BVerwG, NJW 1955, 763 ff., in dem die Auf- fassung entwickelt wurde, dass die vom Grundrechtstatbestand erfassten Tätigkeiten auf den Bestand der Gemeinschaft zu achten haben; BVerwGE 1, 303 (307) – “Sünderin-Fall“, in dem das Gericht annahm, dass die freie Ausübung eines Grundrechts ihre Grenze finde, wenn ein anderes Grundrecht dadurch verletzt sei oder Rechtsgüter gefährdet werden, die für den Bestand der Gemeinschaft von Bedeutung seien.
40Bruch, Fn. 5, S. 210 und S. 238.
41Bruch, Fn. 5, S. 210.
42Bruch, Fn. 5, S. 211-212 und S. 238.
43Bruch, Fn. 5, S. 212.
44Bruch, Fn. 5, S. 238.
45Bruch, Fn. 5, S. 217.
46Bruch, Fn. 5, S. 219.
47Bruch, Fn. 5, S. 222.
48Bruch, Fn. 5, S. 261.
49Murswiek, Fn. 1, DVBl. 1994, 77 (79). Dazu Batsoulas, Fn. 3, S. 53 ff.
50Murswiek, Fn. 1, DVBl. 1994, 77 (80).
51Murswiek, Fn. 1, DVBl. 1994, 77 (80).
52Damit gemeint ist grundsätzlich der Anspruch auf Teilhabe an staatlichen Leistungen. Dazu siehe Hufen, Friedhelm, Staatsrecht II Grundrechte, 9. Auflage, 2021, § 5, Rn. 10.
53Murswiek, Fn. 1, DVBl. 1994, 77 (81).
54Murswiek, Fn. 1, DVBl. 1994, 77 (81).
55Murswiek, Fn. 1, DVBl. 1994, 77 (84).
56Blasberg, Inhalts- und Schrankenbestimmungen des Grundeigentums zum Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen: Das Verhältnis von Art. 14 Abs. 1 und 2 GG zu Art. 20a GG, 2008, S. 82.
57Kloepfer, Fn. 1, § 3, Rn. 97.
58Blasberg, Fn. 56, S. 82.
59Bruch, Fn. 5, S. 156.
60Gesetz zur Ordnung des Wasserhaushalts (Wasserhaushaltsgesetz – WHG) vom 26.10.1976, BGBl. I 1976, S. 3017.
61BVerfGE 58, 300 (339); BVerfGE 58, 300 (344).
62Batsoulas, Fn. 3, S. 48-51.
63Dabei spielt es keine Rolle, dass das Grundstückseigentum seinen wirtschaftlichen Wert auch ohne die Grund- wassernutzung behält. Der Grundstückseigentümer entbehrt dadurch einer grundlegenden Eigentumsnutzung.
64Schmidt, Fn. 1, S. 954.
65In dem Sinne eines Rechts auf ein ökologisches Existenzminimum, das ökologische Mindeststandards für
,,das physische Überleben wie auch für die Möglichkeiten zur Pflege zwischenmenschlicher Beziehungen und zur Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben“ gewährleistet, siehe BVerfG, Beschluss vom 24.3.2021 – 1 BvR 2656/18 (Rn. 114).
66Leisner, Eigentumswende? Liegt der Grundwasserentscheidung des Bundesverfassungsgerichts ein neues Ei- gentumsverständnis zugrunde?, DVBl. 1983, 61 (61).
67Einschlägige Erörterung bei Leisner, Fn. 66, DVBl. 1983, 61 (61-62); Baur, Die “Naßauskiesung” – oder wohin treibt der Eigentumsschutz?, NJW 1982, 1734 (1734-1735).
68Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, falls unverhältnismäßige eigentumsein- schränkende Maßnahmen das Eigentum unzumutbar belasten. Dazu grundlegend BVerfGE 100, 226 (244 ff.). 69In der Literatur ist die Einführung der ,,kalten Sozialisierung“ des Eigentums kraft der Überlegungen des Nassauskiesungsurteils abgelehnt worden. Siehe dazu Leisner, Fn. 66, DVBl. 1983, 61 (65); Baur, Fn. 67, NJW 1982, 1734 (1735).
70Schmidt, Fn. 1, S. 962.
71Shirvani, Fn. 21, EurUP 2016, 112 (117).
72Ein Beispiel dafür wären Grundwassernutzungen, die zu schädlichen Gewässerveränderungen im Sinne des 3 Nr. 10 WHG führen.
73Murswiek, Fn. 1, DVBl. 1994, 77 (82).
74Steinberg, Fn. 5, S. 119.
75BVerwG, NJW 1955, 1532 (1533); BVerwGE 1, 303 (307).
76Schmidt, Fn. 1, S. 955.